Lungen-protektive Beatmung als Standardtherapie bei ARDS

Frühzeitige lungen-protektive Beatmung ist erstrebenswerter Standard bei ARDS. Die Komplikationshäufigkeit wird gesenkt, Aufenthaltsdauer und Ressourcenbedarf reduziert [1].

Behandlung der Ursache, Sicherung der Oxygenierung (Sauerstoffversorgung) und Limitierung von Schäden sind die Ziele bei der Behandlung von ARDS-Patienten. Die größte Gefahr liegt allerdings in der Therapie selbst, die zu Lungenschäden durch mechanische Beatmung führen kann. Trigger, wie hohe Tidalvolumina und erhöhter transpulmonaler Druck [2], schädigen das Endothel und Epithel der Lunge. Verminderte Oxygenierung und CO2-Ausscheidung sowie eine verminderte Compliance sind entsprechende Konsequenzen und bilden beste Voraussetzungen für ein Lungenödem mit akutem Atemversagen. Hoher transpulmonaler Druck, niedriger PEEP (positive end-expiratory pressure) und höhere Atemfrequenz sind daher mit einer erhöhten Krankenhaussterblichkeit verbunden [3].

Folgerichtiger Eckpfeiler des Managements von ARDS ist die lungenprotektive Beatmung (Abb. 1), um den Gasaustausch aufrechtzuerhalten und gleichzeitig Komplikationen wie beatmungsbedingte Lungenschädigung (VILI), beatmungsbedingte Pneumonie (VAP) oder beatmungsbedingte Zwerchfellfehlfunktion (VIDD) zu vermeiden [4]. Als Standardtherapie sind niedrige Tidalvolumina von 4-8 ml/kg PBW, begrenzte Plateaudrücke von <30 cm H2O und Driving Pressures vorgeschrieben [5].

Bild Lungenprotektive BeatmungAbbildung 1: Ziele der lungenschonenden Beatmung

Auch die patienten-spezifische Ausrichtung auf die Driving Pressure (ΔP) ist zur Minimierung von Lungenschäden ein sinnvoller Ansatz. ΔP wurde als Hauptdeterminante für VILI identifiziert [7], ist eine indirekte Messung der Lungenbelastung und definiert als das Verhältnis des Tidalvolumens zur Compliance des gesamten Atemsystems.

Typischerweise ist der durch Ödeme und Entzündungen geschädigte Teil der ARDS-Lunge durch nicht-belüftete Kompartimente gekennzeichnet. Diese sog. Atelektasen reduzieren die Größe der Lunge und erhöhen die Lungenbelastung [8]. Ein Teil der Lunge fällt sozusagen funktionell aus. Die gesunden, nicht-atelektatischen Lungenteile bestimmen dann die funktionelle Residualkapazität und Compliance [9]. Weil das belüftete Lungenvolumen viel kleiner ist als normal, wird dieses Phänomen als Baby-Lunge bezeichnet [11]. Um eine Überdistension der Baby-Lunge zu vermeiden, sind geringere Tidalvolumina erforderlich.

Typische ARDS-LungeAbbildung 2: Typische ARDS-Lunge [10]

Atelektasen verschlimmern die Lungenschädigung während der mechanischen Beatmung [8].

Eine weitere Maßnahme zur Aufrechterhaltung der Inspirationsleistung und zum Schutz des Zwerchfells vor Schädigungen ist das Edi-Monitoring (11). Die Schwäche des Zwerchfells bei Intensivpatienten ist nämlich mit bis zu 84% weit verbreitet und mit einem schlechten Verlauf in Verbindung gebracht (12).

Die Lunge öffnen – und offen halten

Das Open-Lung-Konzept (13) mit Recruitment-Manövern (RM) und PEEP-Titration, kann die Sauerstoffversorgung drastisch verbessern und gleichzeitig Lungenschäden minimieren (4,8). RMs haben das Ziel, zuvor kollabierte Lungenregionen durch einen kurzen und kontrollierten Anstieg des transpulmonalen Drucks wieder zu erweitern. Die kollabierte Lunge soll geöffnet ("rekrutiert“) und die Anzahl der an der Tidalventilation teilnehmenden Alveoleneinheiten erhöht werden (8). Die Wiederausdehnung der Lunge wird dann im Zuge der PEEP-Titration durch einen minimalen PEEP aufrechterhalten, um einen Kollaps zu verhindern. RMs wurden als sicher und gut verträglich bestätigt. Sie verbessern die Oxygenierung, senken die Mortalität und den Bedarf an Notfall-Therapien (14).

Das Open-Lung-KonzeptAbbildung 3: Das Open-Lung-Konzept

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Literatur:

[1] Hoegl S, Zwissler B. Preventing ventilator- induced lung injury-what does the evidence say? J Thorac Dis. Aug 2017;9(8):2259-2263

[2] Matthay et al. / Nat Rev Dis Primers. ; 5(1): 18.

[3] Bellani G, Laffey JG, Pham T, et al. LUNG SAFE Investigators; ESICM Trials Group. Epidemiology, Patterns of Care, and Mortality for Patients With Acute Respiratory Distress Syndrome in Intensive Care Units in 50 Countries. JAMA. 2016 Feb 23;315(8):788-800.

[4] Fan E, Brodie D, Slutsky AS. Acute Respiratory Distress Syndrome: Advances in Diagnosis and Treatment. JAMA. 2018 Feb 20;319(7):698-710

[5] Amato MB, Meade MO, Slutsky AS, et al. Driving pressure and survival in the acute respiratory distress syndrome. N Engl J Med. 19. Feb 2015;372(8):747-55.

[6] Yoshida T,Fujino Y, Amato MB, Kavanagh BP. Fifty Years of Research in ARDS. Spontaneous Breathing during Mechanical Ventilation Risks, Mechanisms, and Management. Am J Respir Crit Care Med Vol 195, Ausgabe 8, SS 985–992, 15. Apr 2017.

[7] Bellani, et al Epidemiology, Patterns of Care, and Mortality for Patients With Acute Respiratory Distress Syndrome in Intensive Care Units in 50 Countries JAMA. 2016;315(8):788-800. doi:10.1001/jama.2016.0291.; Amato MB, Meade MO, Slutsky AS, et al.Driving pressure and survival in the acuterespiratory distress syndrome. N Engl J Med. 2015;372(8):747-755.

[8] Fan E, Del Sorbo L, Goligher EC, et al. American Thoracic Society, European Society of Intensive Care Medicine, and Society of Critical Care Medicine. An Official American Thoracic Society/Euro- pean Society of Intensive Care Medicine/ Society of Critical Care Medicine Clinical Practice Guideline: Mechanical Ventilation in Adult Patients with Acute Respiratory Distress Syndrome. Am J Respir Crit Care Med. 1. Mai 2017;195(9):1253-1263.

[9] https://www.divi.de/kongress/kongressbeitraege-vortraege-intensivmedizin/divi2017/08-12-2017/akutes-lungenversagen-beim-kind/765-171208-kongressbeitrag-seidemann-aktuelle-behandlungsstrategien-beim-ards/file (abgerufen am 22.9.19)

[10] Gattinoni L, Pesenti A. The concept of “baby lung”. Intensive Care Med. 2005; 31(6):776–784.

[11] Heunks L, Ottenheijm C. Diaphragm Protective Mechanical Ventilation to Improve Outcome in ICU Patients? Am J Respir Crit Care Med. 2017.

[12] Dres M, Goligher EC, Heunks LMA, Brochard LJ. Critical illness-associated diaphragm weakness. Intensive Care Med. 2017 Oct;43(10):1441-1452.

[13] Lachmann B. Open up the lung and keep the lung open, Intensive Care Med. 1992;18(6):319-21

[14] Goligher EC, Hodgson CL, et al. Lung Recruitment Maneuvers for Adult Patients with Acute Respiratory Distress Syndrome. A Systematic Review and Meta-Analysis. Ann Am Thorac Soc. 2017 Oct;14 (Supplement_4):S304-S311.

[15] Needham et al.: Timing of Tidal Volume and ICU Mortality in ARDS, ATS Journal 2015